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Für den 27. Januar, den Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus

... und dennoch leben

Der Holocaust hat das Leiden so sehr zur Existenzfrage gemacht, dass es kaum jemanden gibt, der sich diesem Thema entziehen kann. Menschen haben Schicksale erlebt und erlitten, die ihresgleichen suchen. Aber auch Möglichkeiten gefunden mit ihrem Leid umzugehen und über sich selbst zu wahrhaft menschlicher Größe hinaus zuwachsen. Die Literatur dazu ist fast unerschöpflich. Es ist gut den Zeitzeugen zuzuhören und ihren Berichten zu lauschen, wenn sie aus ihrem Leben erzählen und ihre wertvollen Erfahrungen weitergeben. Ich nenne hier einige als Beispiel: Viktor Frankl „Trotzdem Ja zu Leben sagen“, Ruth Klüger „Weiterleben“. Elie Wiesel ist mit seinem Buch: „Die Nacht zu begraben, Elischa“ zur Symbolgestalt geworden. Ganz unsicher und auf der Grenze bewegen wir uns mit unseren Gedanken, wenn wir uns derjenigen erinnern, die ihrem Leben mit eigener Hand ein Ende setzten, sei es aus Verzweiflung oder auch aus Selbstbehauptung. Wie viel Freiheit der Mensch wirklich hat angesichts äußerster Gefahr, das ist als Gewissenskonflikt immer präsent.

 

Im November 1962 sprach Propst Heinrich Grüber im Rahmen einer EKD Delegation undselbst ein Zeitzeuge, in der Gedenkstätte Yad Vashem: „YAD VASHEM heißt diese Stätte, da wir mit tiefer Bewegung – ich darf für mich auch sagen: mit tiefer Beschämung - gedenken der Millionen, die ein Opfer wurden einer Zeit voll Schuld und Leid. Es geht um Namen – shem, shemot – , die der Erinnerung eingeprägt sind, nicht nur um die Namen der vielen Stätten des Grauens, von denen einige hier verzeichnet sind. Noch einmal tritt dieses Inferno - um nicht zu sagen dieses Infernissimo – der vergangenen Zeit vor unsere Augen mit Stacheldraht, Folterkammern, Bunkern, Gaskammern und Krematorien. Wir sehen noch einmal die armen, verzweifelten, verhungerten, verprügelten Menschen.

 

Jeder war damals nur eine Nummer, und doch hatte jeder einen Namen, der nicht nur Menschen lieb und wert war, sondern der von dem Ewigen gekannt war: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Sein Name sei auch an dieser Stätte gepriesen in Schuld und Leid. Es geht um Hände – yad, yadaim -, wir sehen die blutbefleckten Hände der Folterknechte, die prügelten und mordeten und die alle Frauen und Kinder, Kranke und Gesunde, in die Gaskammern pressten. Wir sehen die Hände der gequälten, die in der letzten Not zum Gebet gefaltet oder in Verzweiflung gerungen wurden. Wir sehen die bittenden Hände aus dem Warschauer Ghetto, die mit angsterfüllten Augen um ihr junges Leben flehten. Wir sehen die Hände der Mutter,die ihre Kinder und Säuglinge an ihr Herz drückt, als sie mit ihnen in die Gaskammer gestoßen wurde. Wir sehen mehr. Wir wissen um die Hände des Hüters Israels, der nicht schläft noch schlummert, der uns trösten will, wie einen seine Mutter tröstet, und der abwischen will alle Tränen.Zu IHM erheben wir unsere Hände und strecken dann unsere Hände um Verzeihung bittend unseren leiderfüllten Brüdern und Schwestern entgegen. Die Hände derer, denen die Gnade und Kraft vergebender Liebe geschenkt wird, sollen die Hände derer ergreifen, die die Gewissheit vergebender Schuld erbitten, vor Gottes Thron und hier in Yad Vashem.“